Kurztexte
Auch ich war einst ein Kind,
mit aufgeschlag'nen Knien
und treuem Kinderblick.
Ich mochte keine Zwiebeln, hasste rote Beete
Und manchmal gab ich Tante Käthe
nicht die Hand.
Ich kannte grüne Drachen, Zwerge,
bohrte in der Nase,
trank heimlich Wasser
aus der Blumenvase
und sah gelegentlich ganz niedlich aus.
Auch ich war einst ein Kind,
ich war Indianer, malte Muster auf die Haut,
schrieb heimliche Gebete auf
und Gott hab ich mir vorgestellt
als Astronaut.
Die Mädchen lebten hinter buntem Glas
In einer andern Welt.
Ich sah sie meist von ferne.
Sie waren Zauberwesen
und konnten Zaubersprüche lesen.
Ihr Lachen klang nach Glockenspiel und Brause.
Und unter ihren Röcken
war ein großer Schatz versteckt,
den haben sie stets zugedeckt.
Jetzt bin ich schon erwachsen.
Ich esse Zwiebeln
und bohr nur heimlich in der Nase,
Das Wasser in der Blumenvase
überlass ich gern den Blumen.
Ich gebe viel zu vielen Leuten nun die Hand.
Zu Gott bete ich immer noch
und stell mir vor, er wär mein Freund.
Die Frauen leben nicht mehr hinter Glas,
anscheinend sind sie ganz normale Leute,
sie träumen, arbeiten, feiern,
sind hässlich oder schön
erschaffen Wunder
oder produzieren Mist bis heute.
Und trotzdem sind sie wie aus einer andern Welt
und machen Sachen, die ich nie erwarte,
sie weinen, wenn sie reden sollten
und lachen, wenn ich weinen könnte,
sie reden, wenn ich Schweigen brauche.
Und bleiben stumm, wenn Worte wichtig sind.
Und ihr Geheimnis tragen sie nicht unter ihren Röcken.
Ich habe nachgeschaut. Es muss woanders liegen.
Ich kann’s nur nicht entdecken!
Neulich wurde bei uns
am Nachmittag, so gegen drei,
eine alte Frau geschlagen,
von einem Kind.
Einfach so.
Ohne Grund.
Die beiden kannten sich nicht.
Die Mauer ist hoch und nur zwei Handflächen breit. Ich stehe oben und weiß nicht, wie ich da hinaufgekommen bin. Vorsichtig balanciere ich und bewege mich nach vorne. Rechts und links geht es abgründig hinab. Zu tief, um irgendetwas zu erkennen. Die Menschen bewegen sich wie bunte Punkte unter mir.Warum habe ich keine Angst? Ich gehe weiter, summe eine Melodie und weiß plötzlich, dass ich nicht fallen werde, wenn ich fallen würde. Also stoße ich mich ab, falle tatsächlich nicht, sondern schwebe neben der Mauer her. Laufe ein Stück auf ihr entlang, verlasse sie wieder, gehe an ihr steil bergauf. Was als Gefahr aussah, ist ein Spiel geworden. So sehr ich mich auch anstrenge, ich falle einfach nicht. Ich bin zu leicht, wie mit Watte und Luft ausgestopft.